Atelier Latent

Fotografie & Promenadologie

“Photographen, die im Freiraum, der Stadt oder der Landschaft arbeiten, gehen ja auch viel spazieren, um ihre Motive zu finden. Von der Street- über die Stadt- zur Landschaftsphotographie usw.. Sind solche Photographen auch Spaziergangswissenschaftler (Promenadologen), oder worin unterscheiden sie sich?”
(Kai-Olaf Hesse, Fotograf, in einem Gespräch mit Bertram Weisshaar) 

Die Antwort ist einfach: Ja und Nein. Besonders spannend wird es, wenn sich die beiden künstlerischen Medien Fotografie und Spaziergangsforschung überlagern. So beispielsweise bei dem Projekt »bulb – the strolling gallery«, das als Beitrag zur Kunstausstellung zur Landesgartenschau Villingen-Schwenningen 2010 von Atelier Latent realisiert wurde. Sechs „White Cubes“ fungierten als begehbare Camera Obscura. In diesen temporär in der Gartenschau und im öffentlichen Stadtraum aufgebauten Ausstellungsräumen (vgl. Abbildung unten) waren jeweils ein „Foto“ zu sehen: Mittels einer einfachen Linse wurde ein Ausschnitt der realen Umgebung in die Box auf eine gerahmte Bildfläche projiziert. Zu sehen war also jeweils eine (nicht gespeicherte) Fotografie – in Echtzeit und an ihrem originalen Ort. Wer alle sechs Bilder sehen wollte, musste einen „Ausstellungsbesuch“ in Form eines Spaziergang zu den sechs White Cubes unternehmen. Hierbei war dann nicht nur das jeweilige Bild zu sehen, sondern auch dessen Umgebung, was ansonsten regelmäßig durch die erforderliche Festlegung eines Bildausschnitts seitens des Fotografen ausgeblendet bleibt. Dies, sowie die Annäherung an die ausgewählten Orte, waren konzeptioneller Bestandteil des beabsichtigten „Ausstellungsrundgangs“.
Ergänzt wurde dieser „Galerie-Rundgang“ durch das „fahrende Landschaftskino“ – ein zu einer Camera Obscura umgebautes Zugabteil: Für die Dauer von zwei Wochen war in zwei Zügen des öffentlichen Nahverkehrs je ein Abteil verdunkelt, ähnlich einem Kinoraum, sowie mit jeweils zwei (Rück)Projektionsflächen ausgerüstet. Wiederum mittels einer einfachen Linse wurde die vorbeiziehende Landschaft auf die „Kinoleinwand“ projiziert. Der sonst ungerichtete Blick durch das Zugfenster wurde zu einem vorgegebenen, gerahmten Blick. Dabei stand die Landschaft auf dem Kopf und drehte sich wie auf einer Theater-Rundbühne von hinten nach vorne durch das Bild. Dies und die technisch bedingte Unschärfe der einfachen Linse ließ die durchfahrenen Szenen als überraschend malerische Landschaft erscheinen.

 

bulb – the strolling gallery
BULB Projektion
Beispiel projiziertes Foto

 

Fahrendes Landschaftskino
Bulb bei Ausstellung Zwischengrün
BULB 2009; Beitrag zur Ausstellung Zwischengrün in Leipzig

 

Bulb Foto Innen
BULB 2009; projiziertes Foto (Innenansicht)

 

BULB im Tagebau Welzow; 2008

 

Innenansicht Tagebau Welzow

 

Weiteres fotografisches Interesse von Atelier Latent richtet sich auf urbane Landschaften, die Rezeption der Landschaft aus Verkehrsmitteln heraus (vgl.: Go By Bus), die Rezeption der Uran-Erbfolge-Landschaften, die Inszenierung von inszenierten Fotos als Bestandteil von gestalteten Spaziergangsveranstaltungen (vgl.: See macht blind), u.a. m. …

 

„See macht blind“, Inszenierung im Rahmen eines Spaziergangs am Bärwalder See zum Kunstprojekt „Über Tage 2008“