GedankenGänge

GedankenGänge

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„Im Gange liegt etwas, das meine Gedanken weckt und belebt; verharre ich auf der Stelle, so bin ich fast nicht imstande zu denken; mein Körper muss in Bewegung sein, damit mein Geist in ihn hineintritt.“

Jean-Jacques Rousseau

Eine Serie philosophischer Spaziergänge in Leipzig.

Mittels dem Gehen wird jeweils ein Gedankengang mit besonderen Orten verknüpft, welche zu dem aufgegriffenen Thema inhaltliche Bezüge haben. Diese Kombination aus Denken und dem Erleben konkreter Orte eröffnet die Chance, dass die angestoßenen Gedanken nachwirken und Nachhall finden. Jeder philosophische Spaziergang wird durch eine Philosophin / einen Philosophen inhaltlich angeleitet: An zuvor bestimmten Stationen gibt sie/er einen Impuls, zu dem die Teilnehmenden in einen kurzen gemeinsamen Dialog treten. Daran anschließend sind die Teilnehmenden eingeladen, jeweils als Zweiergruppe entlang der folgenden Wegstrecke den Dialog im Gehen fortzusetzen, bis zum Erreichen der nächsten Station. Dort gibt es dann den nächsten Denk-Impuls. Die Teilnahme an den philosophischen Spaziergängen ist für alle Interessierten gedacht und setzt weder ein Philosophiestudium voraus, noch erfordert es Vorkenntnisse oder die Beschäftigung mit Texten vorab. Dies wiederum hindert nicht daran, jeden Gedankengang jeweils mit einem Buch – möglicherweise auch einem Podcast-Beitrag (z. B. WDR Philosophisches Radio) oder einem YouTube-Video (z. B. Sternstunde Philosophie) – zu verknüpfen. Das je vorgestellte Buch (bzw. die betreffende Sendung) ist gedacht als inhaltlicher Ankerpunkt des Spaziergangs wie auch als passender Vorschlag für eine anschließend eventuell gewünschte, individuelle Vertiefung.

Gestaltet und veranstaltet werden die GedankenGänge von Transformatorenwerk Leipzig e.V., Expedition Philosophie e.V. und Denkwege e.V. Die Recherche zur Route und den besonderen Orten erfolgt durch Spaziergangsforscher Bertram Weisshaar / Atelier Latent.

Die GedankenGänge im einzelnen:

Die Natur – gegeben oder erfunden?

Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur

Zerstört man die Wälder, wie die europäischen Ansiedler allerorten in Amerika mit unvorsichtiger Hast thun, so versiegen die Quellen oder nehmen doch stark ab.

Alexander von Humboldt wandte sich ab von der anthropozentrischen Weltsicht – ganz anders als etwa Descartes, der die Menschen als die Herren und Besitzer der Natur sah, und anders als der zu seiner Zeit vorherrschende Geist der Aufklärung. Auf seinen vielen Reisen erkannte er immer wieder weitere Beispiele, wie die Menschen das Gleichgewicht der Natur störten. Andrea Wulf stellt in ihrem Buch heraus, dass Humboldt bereits 1800 am Valenciasee einen Begriff des vom Menschen verursachten Klimawandels entwickelt. Am Beispiel des Valenciasees beschrieb er die Zusammenhänge – warnte vor den verheerenden Folgen der landwirtschaftlichen Techniken seiner Zeit, unter denen die künftigen Generationen leiden würden. Humboldt entwickelte die Idee von der Natur als einem Zusammenhang, in dem von der geringsten Flechte über die Menschen und andere Tiere bis hinauf zu den Sternen alles durch Wechselwirkungen verwoben ist. Und er verstand es, diese Idee plastisch darzustellen und fast wie ein Pop-Star zu verbreiten.

GedankenGang zum Thema Natur
Gedankengang mit Humboldt im Hinterkopf;
inhaltlich gestaltet durch Dr. Katrin Felgenhauer

Mit: Dr. Katrin Felgenhauer. Aktuell ist sie Gastwissenschaftlerin an der Universität Leipzig und seit 2012 engagiert bei Expedition Philosophie e.V. Promotion an der Stiftungsuniversität Hildesheim.
Dieser Gedankengang fand bereits statt am 15.07.23 und folgte ab der Wurzener Straße der Östlichen Rietzschke bis Mölkau.

Wie geht Verantwortung?

Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung

Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden

Für sein 1979 erschienenes Hauptwerk erhielt Hans Jonas den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und das Große Bundesverdienstkreuz. Jonas’ Ausgangsfeststellung lautet, dass insbesondere durch die immensen Erweiterungen der Technik und deren Umweltfolgen sich das Wesen des menschlichen Handelns geändert hat und sich demzufolge eine völlig neuartige Herausforderung für die Ethik stellt. Erstmals in der Geschichte müssen die Menschen die sowohl räumlich als auch zeitlich entgrenzten und zugleich unumkehrbaren Fernwirkungen der modernen Technologie mit in Betracht ziehen. Die Versprechen der modernen Technik hätten sich in eine Bedrohung für die Menschheit verwandelt – der atomare Rüstungswettlauf des Kalten Krieges bildete ein sehr präsentes Hintergrundgeräusch bei Erscheinen des Buches. Heute unterstreicht (hinzukommend) der sich vollziehende Klimawandel die von Jonas’ formulierte Notwendigkeit einer Verantwortung für kommende, noch nicht existierende Generationen. Bewegungen wie Fridays for Future, Extinction Rebellion und Last Generation sind aktueller Ausdruck dieser Verantwortlichkeit.

Gesprächsrunde im Friedenspark Leipzig

Mit: Dr. Rainer Totzke. Expedition Philosophie e.V. und Transformatorenwerk Leipzig e.V. Er ist Mitkurator des Festivals „Leipzig denkt“.

Dieser GedankenGang fand bereits statt am 16.09.2023.

Exit aus dem Hamsterrad Kapitalismus?

Das Ende des Kapitalismus

Künftig bestimmt die Natur, wie viel Wachstum möglich ist – und nicht das Wachstum, was von der Natur noch übrig bleibt.

Die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann stimmt den zahlreichen Initiativen und Positionen zu, die eine ökologische Kreislaufwirtschaft sowohl als Ziel als auch als Möglichkeit einfordern. Doch weist sie darauf hin, dass diese Vision nicht mit dem Weg dahin verwechselt werden dürfte. Nur selten würde gefragt, wie man aus einem wachsenden Kapitalismus aussteigen soll, ohne eine schwere Wirtschaftskrise zu erzeugen und Millionen Menschen in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Zu suchen sei daher die Brücke aus der dynamischen Gegenwart eines unablässig wachsenden Kapitalismus in eine relativ statische Zukunft einer Kreislaufwirtschaft, die den Rückbau des Kapitalismus geordnet, da staatlich geregelt vonstatten gehen lässt. Als historisches Vorbild zieht Ulrike Herrmann die britische Kriegswirtschaft ab 1939 heran: Das Rationierungsprogramm galt rasch als eine „der größten Erfolge an der Heimatfront“. Ausgerechnet im Krieg waren die unteren Schichten besser versorgt als je zuvor. Die Briten erfanden eine private und demokratische Planwirtschaft, die sich deutlich vom dysfunktionalen Sozialismus in der Sowjetunion unterschied. Einem Green New Deal hingegen räumt sie keine Chance ein: „Grünes Wachstum gibt es nicht. Es ist eine Illusion.“
Mit: Prof. Ulrich Brieler. Institut für Philosophie an der Universität Leipzig
Termin: 21.10.2023, 14.00 Uhr. Start in der Karl-Heine-Straße an der König-Albert-Brücke

Frieden

Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden

Wie es also zwar ein Leben ohne Schmerz geben kann, aber keinen Schmerz ohne Leben, so gibt es auch einen Frieden ohne allen Krieg, niemals aber einen Krieg ohne irgendwelchen Frieden.

Augustinus de civitate die /Vom Gottesstaat XIX, 13

In Leipzig, wie in fast jeder Stadt, sind die Spuren vergangener Kriege unübersehbar: Das Völkerschlachtdenkmal, der Hinweis auf die gesprengte Brücke an der kleinen Funkenburg im Waldstraßenviertel, das Capa-Haus in Lindenau, die Narbe des Wilhelm-Leuschner-Platzes im Herzen der Stadt. Mit seinen Zerstörungen hat sich der Krieg in das Antlitz der Stadt eingeschrieben. In vergleichbarer Weise dagegen gibt es kaum Spuren des Friedens: Der Nikolaikirchhof mit der an der Nikolaikirche aufgestellten Friedenssäule erinnert an die friedliche Revolution von 1989. Aber erinnert dieser Platz damit zugleich auch an den Frieden? Was könnte es überhaupt meinen, dass ein Ort an Frieden erinnert, Anlass ist, Frieden zu vergegenwärtigen? Orte der kriegerischen Zerstörung, nicht unbedingt die des Sieges, mahnen zwar auch an Frieden als Aufgabe Krieg zu überwinden. Aber kann Frieden selbst vergegenwärtigt werden? Was mag es bedeuten, Frieden zu vergegenwärtigen, wenn das nicht meint, lediglich an Ereignisse friedlichen Protests zu erinnern oder an Orte, an denen Kriege beendet wurden? An verschiedenen Orten des Krieges wie des Friedens soll der Frage nachgegangen werden, wovon wir sprechen, wenn wir vom Frieden sprechen. 
Mit: Prof. Thomas Kater. Institut für Philosophie an der Universität Leipzig.
Termin: So., 29.10.2023, 14.00 Uhr. Start im Friedenspark, Eingang Ecke Semmelweisstraße / Philipp-Rosenthal-Straße

Die GedankenGänge in Leipzig – das ausführliche Programm 2023