Ein Buchprojekt zum Ende des Kohlebergbaus in Deutschland
Für ein paar letzte Jahre wird in Deutschland noch Braunkohle in Großtagebauen gefördert. Doch spätestens 2038 soll damit Schluss sein. So ist es politisch beschlossen. Auch wird die Stromerzeugung aus Braunkohle im Vergleich zu regenerativen Energien zunehmend unrentabler. Damit endet in absehbarer Zeit die jahrhundertelange Epoche des Kohlenbergbaus in Deutschland. Dies verlangt nach einer adäquaten kulturellen Antwort, die es nun zu gestalten gilt.
Landschaft nach der Braunkohle
Neben markanten Baudenkmalen der Industriekultur wird künftig insbesondere die „Landschaft nach der Braunkohle“ als begehbares und sinnlich erlebares Zeugnis den erfolgten Kohleabbau vermitteln. Bislang folgen die Diskurse für die Landschaft nach der Kohle in allen drei Braunkohlerevieren den Zielvorgaben der Braunkohlenplanungen, welche für alle letzten Großtagebaue eine möglichst rasche Flutung vorsehen. Der Klimawandel konfrontiert jedoch zunehmend mit Dürren und Jahrhundertniedrigwassern in den Flüssen. Allein schon die gleichzeitige Stilllegung mehrerer Tagebaue ruft nach einer breiten gesellschaftlichen Übereinkunft zur Gestaltung der Landschaft nach der Kohle. Nicht weniger mahnen überraschend aufgetretene Rutschungen bei den Tagebauseen, die Risiken und Chancen der Bergbausanierung zu überprüfen. Mithin gilt es, die schon bald werdenden (Folge)Landschaften mit einem weiteren Horizont vorzudenken. Die Publikation Letzte Grube zu (Arbeitstitel) wird hierzu einen Diskussionsbeitrag einbringen.
Latente Landschaften
Die Landschaften auf dem Grund der Tagebaue faszinieren – vor der Bergbausanierung – als eine Art „Evolution zum Zuschauen“: Die durch den Bergbau neu hergestellten (Kippen)Flächen erscheinen in deren „Stunde Null“ auf den ersten Blick noch völlig wüst und unbelebt. Doch innerhalb nur weniger Jahre vermag die Natur solche Bereiche durch dynamische Erosions- und Sukzessionsprozesse völlig eigenständig zu verwandeln – die Natur kehrt wieder zurück, sofern man dies zulässt und ihr die Zeit hierzu einräumt. Die dabei entstehenden ästhetischen Besonderheiten sind in der Breite der Gesellschaft bislang weitgehend unbekannt, denn allein von den entfernten Aussichtspunkten am Tagebaurand aus sind diese nicht zu erahnen. Diese sehr spezifische Ästhetik – latente Schönheit – ist somit fast zwangsläufig in den Diskussionen und Planungen zur Bergbaufolgelandschaft erst wenig bis gar nicht berücksichtigt.
Andere Landschaften
Ein Vielfaches mehr noch würden künftig die „letzten Folgelandschaften“ faszinieren, wenn die ästhetischen Qualitäten der Tagebaue endlich (an)erkannt und nicht einfach ausgelöscht, sondern transformiert würden. In diese Richtung wird das Buch ein engagiertes Plädoyer entwickeln. Vorgestellt als eine mögliche neue Nutzung der Tagebauflächen wird die Paludikultur: Mit dem Anbau rasch wachsender Röhricht-Pflanzen – die in Tagebauen häufig sogar wild wachsen – können Treibhausgase gebunden werden (schneller als durch Aufforstungen), zudem sind damit hergestellte Dämm- und Bauplatten eine ökologische Alternative für derzeit gebräuchliche, mit sehr hohem CO2-Abdruck hergestellte Produkte. In dieser Zusammenschau verwandeln sich die „letzten“ Braunkohlengruben in CO2-Senken und zugleich in artenreiche und ästhetisch einzigartige Landschaften.
Federführend verfasst wird das Buch Letzte Grube zu von Bertram Weisshaar. Dabei kann er aus seinem breiten Erfahrungsschatz heraus schildern – aus seinen schon in den 1990er Jahren unternommenen, aber auch aktuell fortgeführten Erkundungsgängen, insbesondere auch aus seinen zahlreichen Spaziergangsveranstaltungen sowie Transitorischen Gärten im Tagebau Golpa-Nord / Ferropolis (Sachsen-Anhalt), die unterstützt wurden durch die Stiftung Bauhaus Dessau und durch die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft LMBV.
Der Verein Denkwege e.V. ist Projektträger dieses Buchprojekts. Geförtert wird das Projekt durch die Lucius und Annemarie Burckhardt Stiftung und durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.